Seit 36 Wochen treffen sich Menschen am Hauptplatz in Linz, um gegen die Corona-Maßnahmen zu demonstrieren. In den Mainstream-Medien werden sie gerne als Rechte oder gar Rechtsextreme diffamiert, ohne dass man mit ihnen spricht. Ein Interview mit einem der Initiatoren, einem Menschen mit Mut: Florian Ortner.
Ein Interview geführt von Andrea Drescher.
Der gelernte Koch Florian Ortner, der 1984 in Wels zur Welt kam, ist heute nicht nur Gründer und Präsident des Vereins Genussgarten, sondern in verschiedenen Vereinen aktiv. Als Selbstversorger und Lebensmittelproduzent, der leidenschaftlich gerne Gemüse anbaut, lebt der Vater von drei Kindern seine Berufung und vermarktet die ehrenamtlichen Erzeugnisse des Vereins über den Wochenmarkt in Linz. Die Einnahmen für die Erzeugnisse aus den Projekten fließen direkt wieder in den Verein und damit in die Projekte ein.
Wochenblick: Sie haben Stand 10. Jänner 2021 36-mal die Demo in Linz für Menschenwürde und Meinungsfreiheit wegen der Corona-Maßnahmen organisiert. Warum tun Sie das, oder besser: Warum tun Sie sich das an?
Florian Ortner: Das ist eine gute Frage. Ich weiß von Herzen, dass wir Menschen ein neues Zeitalter erleben werden. Wir kommen in eine neue Zeit, die Zeit der Menschen bricht an. Da ist es wichtig, die Menschen friedlich in diese Zeit zu begleiten. Hätte ich es nicht gemacht, hätte es jemand anderer gemacht. Ich sehe es als meine Bestimmung, das zu übernehmen. Dank unserer langjährigen Vereinsarbeit verfüge ich bzw. wir über notwendiges Hintergrundwissen.
Was sind Ihre Ziele bzw. die Ziele der Demo?
Unser Ziel ist es, unsere durch die Verfassung geregelten Freiheitsrechte wiederherzustellen. Die ganzen derzeitigen Verordnungen sind ja keine Gesetze, sondern der Verfassung untergeordnet. Mir geht es um unsere persönlichen Freiheitsrechte und natürlich um die Menschenwürde. Das Konzept dahinter ist: Ich bin frei, solange ich die Würde eines anderen nicht verletze. Durch die Verordnungen wird aber die Würde von uns allen verletzt. Kommuniziert wird natürlich das Gegenteil. Man erweckt medial den Eindruck, als ob wir diejenigen wären, die etwas verletzten.
Wie viele Leute organisieren die „Freitage für Freiheit“, wie ist die Gruppe aufgestellt?
Die „Orga“-Gruppe ist klein. Im innersten Team sind es fünf Menschen – eine ist aus gesundheitlichen Gründen momentan ausgestiegen – die sich regelmäßig treffen. Zum erweiterten Kernteam gehören einige, die noch nicht so lange dabei sind, aber wichtige Aufgaben wie Flyertisch, Ordner und Videoaufzeichnung verlässlich übernehmen. Hier treffen wir uns mindestens zweimal im Monat, wenn es etwas zu besprechen gibt, dann auch häufiger.
Wie finanzieren Sie sich? Sie haben ja klein angefangen, inzwischen stehen Sie mit eigenem Demo-Bus am Hauptplatz.
Der Bus wurde von einem Mitglied der „Orga“ allein finanziert. Er ist ein leidenschaftlicher Taucher, der 2020 nirgendwohin durfte. Mit unserer Demo setzt er sich auch dafür ein, wieder reisen zu können. Da er Geld auf der Seite hatte, hat er den Bus gekauft. Nicht viele sind bereit, wirklich etwas zu investieren, aber in unserem Team sind alle im Rahmen ihrer Möglichkeiten dabei. Wir wollen unser Leben wieder so leben können, wie wir es gerne möchten. Vieles wird auch über freiwillige Zuwendungen finanziert – die Flyer, die Musikanlage, die Generatoren. Alle laufenden Kosten werden durch Einnahmen von der Demo refinanziert.
Ist das Linzer Team mit anderen Gruppen vernetzt?
Wir haben österreichweit sehr gute Kontakte zu lokalen Gruppen in Salzburg, Vorarlberg, Wien oder Kärnten, Graz, etc. Wir sind auch beim Schweigemarsch mit dabei, der am 15. Jänner zum dritten Mal in Linz stattfindet, und unterstützen die oberösterreichischen Phantome. Grundsätzlich ist es aber unser Interesse, uns so regional wie möglich, so klein wie möglich zu vernetzen.
Warum das?
Es geht um Kontakte zwischen Menschen, die sich physisch treffen können – nicht nur virtuell, sondern real. Wir wollen alle nicht in der virtuellen Computerwelt landen, sondern als Menschen in der natürlichen Realität leben. Diese ausufernde Technokratie ist nicht unser Ziel, gegenseitige Hilfe geht nur über die physische Ebene, am Computer nicht wirklich.
Sie nutzen das Netz gar nicht?
Doch. Das Netz ist ein zweischneidiges Schwert – auch unsere Plattform befindet sich ja im Netz. Man muss immer beides miteinander verbinden. Meine persönliche Aufgabe ist die physische Ebene, die virtuelle Ebene machen andere im Team, die sich mit IT auskennen. Ich stehe am Bauernmarkt, pflege den direkten Kontakt von Mensch zu Mensch. Da bin ich stark, da stecke ich meine Energie rein. Andere haben andere Stärken. Um diese Synergien geht es ja.
Was für ein Verhältnis haben Sie zur Linzer Polizei? Gerade im Jänner konnte man einiges lesen, was nicht wirklich entspannt klang.
Grundsätzlich haben wir ein sehr gutes Verhältnis zur Polizei und mit den Polizisten aus Linz auch keine Probleme. Letzte Woche – also am 8.1.2021 – wurde es so richtig offensichtlich, dass es verschiedene Einheiten gibt, die verschiedenen Zwecken dienen. Man darf aber auch die nicht über einen Kamm scheren, es sind ja auch nur Menschen.
Was war denn los?
Es wurde provoziert – es war ganz offensichtlich: Die Polizei wollte provozieren. Wir versuchen trotzdem zu vermitteln und zu deeskalieren. Speziell wenn die Emotionen so hochkochen wie am 8.1. – da sind auch uns zuerst mal die Nerven durchgegangen, aber dann sofort wieder deeskaliert. Mein ständiger Appell ist es friedlich zu bleiben, nie in die Aggression zu gehen. Auch wenn es schwerfällt. Die Aggression ist das Spiel der Mächtigen, Gewalt und Aggression spielen die perfekt, da ziehen wir den Kürzeren, denn das haben die trainiert, wir nicht. Frieden ist unser Spiel. Wir sind Menschen mit Herz, das ist unsere Qualität, da kann der Verstand nicht mit.
Hatten Sie nicht auch schon Probleme mit der Polizei?
Ja, ich hatte schon mehrere Anzeigen, da ich noch nie eine Maske getragen habe. Bis jetzt habe ich aber noch keine der 13 oder 14 Anzeigen bezahlt, sondern fast alle erfolgreich beeinsprucht. Zwei Verfahren sind noch am Laufen. Man versucht mich jenseits des COVID-Maßnahmengesetzes wegen Ruhestörung oder Erregung öffentlichen Ärgernisses zu belangen. Das war aber auch nicht erfolgreich bisher.
Nutzen Demos überhaupt etwas?
Politisch gesehen verändert eine Demo erstmal nichts. Das war mir von Anfang an klar. Aber es geht darum, Menschen, die ähnlich denken, miteinander zu vernetzen, den Menschen eine Plattform zu bieten, sich zu finden. Die Demo bringt Menschen physisch zusammen, bietet vielen einen Rückhalt, die sich sonst mit ihren Gedanken alleine fühlten. Im Sommer war es auch sehr wichtig, Menschen zu informieren und Wissen über die jetzige Situation unter die Leute zu bringen. Da waren wir ziemlich gut – unsere Flyer machen überall die Runde.
Aber auch politisch hat sich etwas verändert. Unsere Friedlichkeit bringt „sie“ dazu, Fehler zu machen, sie führen sich durch ihre Aggression selbst vor. Eine seriöse und gut angesehene Geschäftsfrau wegen angeblicher Gewalt zu verhaften, obwohl diese bereits auf dem Heimweg war, ist ein grober Fehler. Und obwohl man am 8.1. gezielt Menschen herausgezogen hat, von denen man wohl erwartet hat, dass sie aggressiv werden, sind wir friedlich geblieben. Das war so wichtig. Wir haben gezeigt, wer wir sind.
Am 8.1. war zum dritten Mal der ORF dabei. Und zum dritten Mal ist auf der Demo etwas eskaliert. Kann das Zufall sein?
Das sind Drehbücher, keine Zufälle. Es wird vorgegeben, welche Bilder benötigt werden und die werden dann erzeugt. Drei Mal ORF, drei Mal Eskalation, das ist schon sehr auffällig. Bei den beiden ersten Malen haben wir ihnen auch noch in die Hände gespielt, haben uns in die Wut treiben lassen. Dieses Mal haben sie den Fehler gemacht, bei uns bleiben alle ruhig, wofür ich den Teilnehmern sehr dankbar bin. 36 Wochen Freitagsdemo waren aber auch ein gutes Training, bei dem wir entsprechende Erfahrungen sammeln konnten. Jetzt kommt die heißere Phase in diesem Spiel, es wird sich zuspitzen, aber wir haben schon gewonnen.
Wie schätzen Sie die Situation in Österreich ein?
Ich bin optimistisch, die Politik hat verloren, die Menschen haben gewonnen, aber das Spiel wird noch zu Ende gespielt. Wir leben 2021 in einer Zeit, die so unkalkulierbar ist wie nie zuvor. Es wird auf Eskalation gesetzt – ganz klar – aber die Menschen haben verstanden, dass wir die Veränderung einleiten, wenn wir friedlich bleiben.
Wir fahren am 16.1. nach Wien, haben mehrere Busse organisiert. 150 fahren mit den Bussen, wobei zu befürchten steht, dass die Busse abgefangen werden sollen. Die Busunternehmer wurden von offiziellen Stellen angeschrieben, dass man nicht Wien anfahren soll. Es wurde sogar mit Strafen gedroht, das hat mir ein Busunternehmer gesagt. Herzlich willkommen in der „Demokratie“!
Sie arbeiten ja auch an Projekten für „die Zeit danach“, richtig?
Ja. Der Genussgarten, der Verein, den ich seit 2016 als ehrenamtlicher Präsident leite, war der Anfang. Mein Gefühl sagt, es kommt die Zeit der Menschen, und im Genussgarten leben wir das bereit seit Längerem.
Wie kam es dazu?
Als Koch sah ich sehr schnell, dass es in der Gastronomie nicht um die Qualität der Grundlebensmittel ging, sondern primär deren Verarbeitung im Fokus liegt. Mir ging es um einfache Gerichte, aber mit hoher Qualität der Bestandteile. Da ich selbst leidenschaftlich gerne Gemüse anbaue, war ich bis 2016 sechs Jahre als Einzelunternehmer in der Produktion von Marmeladen, Pestos, Chutney, etc. selbstständig. Das war aber nicht wirtschaftlich, da ich nach Werten und Idealen und nicht gewinnorientiert arbeiten wollte. Das haut in dieser Wirtschaftsform nicht hin. So kam es zur Gründung des Vereins.
Dank der Vereinsgründung können wir das Hauptaugenmerk auf die Qualität legen und etwas Gutes erzeugen. Denn der Verein orientiert sich an Idealen und Werten und als ehrenamtlicher Präsident bringe ich mich zu 100% in den Verein ein. Es nimmt meine komplette Zeit in Anspruch, die Projekte und damit die Umsetzung unserer Ideale und Werte voranzutreiben.
Können Sie denn davon leben? Finanzieren Sie sich von den Spenden?
Nein. Alles was wir an Einnahmen generieren, fließt in die Projekte. Wir bieten unsere Erzeugnisse ja gegen Wertschätzungsbeiträge am Markt an, um den Verein zu fördern.
Und Ihre Familie?
Meine Frau hat ein fixes Einkommen, mit dem wir unsere Grundbedürfnisse wie Miete, Schulgeld o.Ä. finanzieren. Als Selbstversorger, die einfach leben, benötigen wir wenig. Das ist eben auch eine Frage der Ideale und Werte.
Wie viele Menschen sind im Verein Genussgarten organisiert?
Stand Jänner 2021 hatten wir 170 Mitglieder, Tendenz steigend. Und es gibt ja nicht nur diesen Verein.
Sie arbeiten auch an weiteren Lösungen – Stichwort: „Ich denke selbst“.
Ja. Es geht uns darum, Menschen mit Menschen, Fähigkeiten mit Bedürfnissen zu vernetzen und das auf Vereinsbasis, basierend auf Idealen und Werten, nicht auf Geld. So können wir hier bei uns in Österreich eine alternative Wirtschaftsform entwickeln.
Florian Ortner verarbeitet die Produkte aus seinem „Genussgarten“ mit Leidenschaft:
Der Genussgarten ist dabei das Pilotprojekt, wir testen aus, wie sich das alles organisieren lässt, welche Fehler im System sind. Jedes Vereinsmitglied kann seine Lieblingserzeugnisse bestellen. Die Bestellungen werden ab 1.1.21 bereits nach Urfahr, Linz, Traun, Leonding und Puchenau geliefert. Wer möchte, kann die Bestellung selbst abholen. Das Pilotprojekt wird nach einer kurzen Anlaufphase um Steyr, Enns, Wels und anschließend auf ganz Oberösterreich bzw. Österreich ausgeweitet. Gerade in dieser Zeit ist es wichtig, die heimischen Erzeuger zu unterstützen und gleichzeitig auf Umwelt und Natur zu achten.
Die Plattform https://www.ichdenkeselbst.at arbeitet mit allen Vereinen zusammen, die untereinander kooperieren wollen und verbindet die Mitglieder der vielen Vereine. Allein in meinem Umfeld sind das schon rund 1000 Vereine – wir sind ein Riesennetzwerk, das noch sichtbar miteinander verbunden werden muss, wobei Eigenständigkeit und Eigenverantwortlichkeit erhalten bleiben. Freiheit ist ja mit Verantwortung verbunden. Je mehr Erzeuger und Anbieter von Tätigkeiten mitmachen, umso rascher kann ganz Österreich profitieren.
Geht es nur um Lebensmittel?
Nein. Wir machen auch noch völlig andere Projekte, planen beispielsweise Bauernhöfe zu kaufen, gemeinnützige Wohnprojekte mit Selbstversorgung zu gründen und Menschen die Sicherheit für ihr tägliches Leben zu bieten. Dadurch erschaffen wir gleichzeitig Kultur. Eigenständige regionale Strukturen, die sich in ihrer regionalen Situation total unterschiedlich entwickeln können, macht Kultur aus.
Wie finanzieren Sie das?
Es gibt Menschen mit genug Geld, die jetzt in der Zeit, in der alle sehen, dass das Finanzsystem dem Ende zugeht, noch etwas Sinnvolles mit ihrem Geld anfangen wollen. Es gibt Sponsoren, die uns bei dem, was wir machen, nämlich die Entwicklung einer autarken Gesellschaft, unterstützen. Und wir hoffen natürlich, dass wir noch mehr finden.
Könnten Sie Ihre Vision kurz zusammenfassen?
Das Ziel – heute noch Utopie – ist ganz einfach: Wenn jeder das macht, was er kann, und jeder das nimmt, was er braucht, hat jeder alles, was er benötigt. Das ist die neue Weltordnung, die wir uns wünschen. Und die gestalten wir, die Menschen, uns auch!